Kap 1 – Warum Metaphysik?

Aus der Wahrnehmung, durch die wir die Natur und uns selbst erfassen, entsteht ein neues wissenschaftliches Ziel, auf das uns der Name Metaphysik, der aus der Geschichte des griechischen Denkens stammt, hinweist. Indem dieser Name von einem Wissen sprach, das auf die Kenntnis des Natürlichen folge, verwendete er die Formel Natur in ihrem alten griechischen Sinn, so daß sie nicht nur die materielle Welt bezeichnet, sondern alles von uns Geschaute und als wirklich Bejahte einheitlich umfaßt, das, was uns als Ding gegenübersteht, zusammen mit dem, was unser Ich anfüllt. Diesem Sprachgebrauch, der auch den Menschen als einen Teil der Physis auffaßt, gaben die Beziehungen, die jeden Lebensakt mit der uns berührenden Natur verknüpfen, eine unvergängliche Richtigkeit.
Aus dem Zusammen bestehen unsres Naturbild mit der Wahrnehmung unsres eigenen Lebens entsteht deshalb ein neuer Antrieb zum Denken, weil es uns die Beobachtung verschafft, daß alle unsre Vorstellungen, sowohl die, die durch den Leib erweckt werden, als die, die aus dem inwendigen Leben hervortreten, gemeinsame Bestandteile aufweisen, die in jeder Bewegung des Bewußtseins wiederkehren und sich als unentbehrlich bewähren. Wenn wir die Bestandteile unsres Bewußtseins, die ihm stetig eigen sind, sammeln, so beschreiben sie uns die Natur. jedoch nicht nur die Natur, da sie auch in unsrem Geschichtsbild beständig enthalten sind, und stellen uns unsre Erlebnisse und Taten dar, machen uns also mit dem Geiste bekannt, jedoch nicht mit ihm allein, da wir sie auch in jeder natürlichen Wahrnehmung verwenden. Diese Leistungen unsres Bewußtseins erheben sich somit über unser Naturbild und über unser Geschichtsbild und stehen über dem, was wir nach außen, und über dem, was wir nach innen Ic~en, über drm, was wir aus der uns berührenden Wirklichkeit empfangen, und über dem, was wir aus uns selbst hervorbringen. Dadurch verbinden sie den Gegensatz., I der unser Bewußtsein in seine beiden Hälften zerlegt, und stellen zwischen der Wissenschaft von der Natur und der Wissenschaftt vom Geiste die starke Klammer her, die aus beiden ein einheitliches Wissen macht. Darum war der Name Metaphysik für dieses Wissen sinnvoll, weil es nicht aus den besonderen Bedingungen des physischen und des psychischen Geschehens entsteht, sondern die stetig wirksame Voraussetzung bildet, die uns unser Natur- und  Geschichtsbild ermöglicht.

Der Verzicht auf den Namen „Metaphysik« wäre ratsam, wenn uns die Wahrnehmung der beständig vorhandenen Leistungen unsres Bewußtseins nur zur Erkenntnislehre führte, also nur einen Teil der Psychologie ergäbe, zu der die Erkenntnislehre oder Logik gehört. Die Allwirksamkeit der Prozesse, die unser Bewußtsein stetig formen und jeden einzelnen Denkakt bestimmen, tritt freilich der logischen Beobachtung, die sich auf die Vorgänge richtet, die uns unsre Gedanken verschaffen, sofort entgegen und führt die Logik dazu, die stetig vorhandenen Erträge unsres Denkvermögens in einer Kategorienlehre zu samme1n. Daraus ergibt sich gegen das soeben als  „metaphysisch“ bezeichnete Ziel die Einrede, daß es uns kein eigenes und neues Arbeitsfeld zeige, weil schon eine Kategorienlehre, die den ersten oder letzten Teil der Logik bilde, das erfülle, wonach das metaphysische Ziel strebe. Wenn wir aber die Metaphysik nur als „Kritik der Vernunft« oder mit positiver Fassung des Ziels als Lehre von den Grundformen des  Bewußtseins ausbilden, so verhüllen wir die Tatsache, daß dieselben Kategorien nicht nur in unsrem Selbstbewußtsein, sondern auch in unsrem Weltbild wirksam sind. Sie enthüllen uns also nicht nur die Bedingungen unsres inwendigen Lebens, sondern auch diejenigen I des Weltbestands. Wenn wir das, was den Inhalt des metaphysischen Wissens bildet, nur der Denklehre zuwiesen. so legten wir auf dieses Wissen den Schein, daß es uns nur mit uns selbst beschäftige und einzig aus derjenigen Wahrnehmung entstehe, die sich nach innen wendet. Wir kennen die Welt freilich nur so, wie sie sich in unsrem Bewußtsein enthüllt, und die Natur nur so, wie sie uns zu Fühlenden, Wissen¬den und Wollenden macht. Mit dieser Erkenntnis verschwindet aber die Tatsache nicht, daß unser Bewußtsein zwischen dem Wahrnehmenden und dem Wahrgenommenen unterscheidet. Löschten wir diesen Tatbestand aus, so wäre unser Bewußtsein zerstört und damit die Voraussetzung für jeden Denkakt vernichtet. Bewahren wir uns dagegen die uns gesetzte Gestalt unsres Bewußtseins, dann können wir die Lehre von den Kategorien nicht nur der Psychologie zuteilen, da sie nicht nur für unsren seelischen Akt, sondern für den ganzen Inhalt unsres Bewußtseins Geltung hat und nicht nur zeigt, was wir selber sind, sondern ausspricht, wie alles ist. Einer Lehre. die uns Aussagen gibt, die das All beschreiben, gebührt aber neben der Erkenntnislehre ein eigener Name und Platz.

Der Streit, der am metaphysischen Ziel entsteht. bezieht sich aber nicht nur auf die Stelle, die der Metaphysik in der Gesamt unser Erkenntnis zukomme, sondern wendet sich schon gegen die wissenschaftliche Richtigkeit des metaphysischen Ziels überhaupt. Diese Richtung erhält der Streit um die Metaphysik deshalb, weil bei den Leistungen unsres Denkens, die beständig in uns vorhanden sind, keine Analyse ihres Werdens erreichbar ist. Nur bei den wechselnden Bewegungen des Bewußtseins können wir wenigstens teilweise die Vorgänge aufzeigen, die ihr Werden hervorrufen, verwenden aber dazu immer die Grundformen unsres Bewußtseins als uns gesetzt. | Weil sie die Voraussetzungen jeder Wahrnehmung und jedes Urteils sind, können wir uns nie über sie erheben und sie nie so zu unsrem Objekt machen, daß wir sie aus ihren Bedingungen entstehen sähen und sie folglich zu erklären vermöchten. Wollten wir uns dieses Ziel setzen, so wollten wir uns selbst in unsrem Werden beobachten; daß wir uns aber, ehe wir geworden sind, beobachten wollten, das wäre ein unmögliches Unternehmen und folglich ein absurdes Ziel.

Wer die Formel apriori, die einem wechselnden Sprachgebrauch verfallen und deshalb mit Zweideutigkeit belastet ist, nicht lieber vermeidet, kann demgemäß sagen, die Metaphysik sei die Beobachtung dessen, was a priori in uns vorhanden sei. Diese Formel darf freilich nicht den Sinn bekommen. daß die beständig vorhandene Gestalt unsres Bewußtseins nicht unter dem Kausalgesetz stehe, also nicht entstanden und nicht durch die uns schaffenden Faktoren hervorgebracht sei. Damit wäre die Aussage unsres Bewußtseins verfälscht, die die uns beständig bewegenden Kategorien als uns gesetzt beschreibt und sie damit zwar von unsrer eigenen Hervorbringung trennt, aber auch ihrerseits der Kausalität unterwirft. Einen Sinn. der dem uns gegebenen Bewußtsein entspricht, hat die Formel a priori dagegen dann. wenn wir mit ihr aussprechen. daß wir hier nicht Ergebnisse wahrnehmen, die durch vereinzelte und wechselnde Beziehungen in uns entstehen, sondern das beobachten, was alle besonderen Beziehungen, in die wir hineingeführt werden, wirksam mitbestimmt und sich dadurch über die zeitlich begrenzten Erlebnisse und Wahrnehmungen als die stetig vorhandenen Merkmale unsres Lebensakts erhebt. |

Da die Metaphysik nicht zeigen kann und darum auch nicht zeigen will, wie die Kategorien entstehen, so ist sie eine beschreibende, nicht aber eine erklärende Wissenschaft, die ihre Gegenstände begriffe. | Wollten wir sie aber deshalb von der wissenschaftlichen Erkenntnis absondern, so verwendeten wir jene Denklehre, die nur unsren produktiven Denkakt, nur die Urteilsbildung, durch die wir unsre Wahrnehmungen miteinander verbinden und dadurch erklären, als Wissenschaft schätzt, dagegen die Wahrnehmung, die unsrem produktiven Anteil am Wissen vorangeht und uns das Empfangen gewährt, aus dem unser eigenes Bilden erst entsteht, mißachtet. Durch unser ganzes Bewußtsein hindurch, sowohl durch unser Naturbild wie durch unser Geschichtsbild, wiederholt sich aber derselbe Tatbestand, daß die Wahrnehmung als die erste, unbedingt nötige Leistung unsrer Vernunft der Erklärung vorangeht, weil erst sie uns das, was erklärt werden soll, und das, was erklärt, verschafft. Darum besitzt I schon der richtige und vollständige Vollzug der Wahrnehmung die Erhabenheit, die der ersten und unbedingt notwendigen wissenschaftlichen Leistung gebührt und die der Wahrnehmung auch dann nicht fehlt, wenn sie keine weitere Ableitung zuläßt und uns dadurch mit der Füllung unsres Bewußtseins zugleich seine Grenzen zeigt (1).

Sodann gibt uns auch die metaphysische Beobachtung zur Bestätigung unserer Urteilskraft, die unsre Vorstellungen nach den an ihnen sichtbaren kausalen Beziehungen als Grund und Folge ordnet, den reichsten Anlaß. Denn dadurch, daß die I uns formenden Kategorien in jeder einzelnen Bewegung unsres Bewußtseins wirksam sind, ist der Metaphysik in unermeßlicher Weite der Beruf verschafft, die in uns und vor uns vorhandenen Tatbestände zu erklären, freilich nicht deshalb, weil sie die Grundformen unsres Bewußtseins irgendwoher ableitete, sondern deshalb, weil sie ihre Wirkung in den einzelnen Denkakten aufsucht und dadurch den konkreten Inhalt unsres Bewußtseins erklärt.

Damit ist auch die Stelle aufgezeigt, die die Metaphysik von der Theologie abgrenzt, von der sie solange unterschieden bleibt, als sie ihren Gegenstand in dem behält, was sich uns als das Merkmal unsres Ichs und unsrer Welt an uns selbst zeigt. Indem sie den stetigen Besitz unsres Bewußtseins zu fassen sucht, bleibt sie innerhalb unsres Bewußtseins und wendet den Denkakt noch nicht von der We!t zu ihrem Wirker, noch nicht vom menschlichen Gedanken und Willen zum göttlichen Gedanken und Willen hinüber. Erst dann, wenn die Gott bekennende Aussage entsteht, die uns als Gottes Werk beschreibt, ist Theologie vorhanden.

Zu den Traditionen der Metaphysik, die sie von ihrer griechischen Herkunft her pflegte, gehört auch der Gedanke, daß sie eine der Theologie übergeordnete Erkenntnis sei und zur Kritik der Gottesgewißheit benützt werden könne. Diese Schätzung des metaphysischen Wissens ergab sich aus der platonischen Beurteilung der Abstraktion, nach der die das Wissen erzeugende Betätigung unsres Denkvermögens in der Bildung der allgemeinen Begriffe bestehen soll. Da nun von der Metaphysik erwartet wurde, daß sie die höchsten Abstraktionen liefere, I deren Macht mit der gesamten Welt auch Gott unterworfen sei, so stellte sich die Metaphysik folgerichtig als die höchste Erkenntnis dar, aus der auch unser Wissen von Gott abzuleiten sei. Machen wir uns dagegen deutlich, daß wir mit den metaphysischen Kategorien uns selbst und unsre Welt beschreiben und das beobachten, was in uns und in unsrer Natur geschieht, so liegt der Satz hinter uns, daß uns die Metaphysik ein dem Gottesgedanken iibergeordnetes Wissen gebe, das die Wahrnehmung des göttlichen Wirkens  ersetzen könnte.

Die engen Beziehungen, die die Geschichte beständig  zwischen der Metaphysik und der Theologie herstellt, entstanden zunächst dadurch, daß die metaphysischen Kategorien deshalb, weil sie im Natur- und Geschichtsbild beständig erscheinen, auch in der theologischen Wahrnehmung  ununterbrochen verwendet werden. Ein Verzicht auf sie ist für die Theologie ebenso unmöglich wie für die Natur- und Geschichtswissenschaft. Durch den Gebrauch, den wir im theologischen Denken von den metaphysischen Begriffen machen, ist jedoch die Selbständigkeit der Metaphysik nicht gefährdet, wie sie auch dadurch nicht erschüttert wird, daß wir bei der Natur- und Geschichtsforschung ununterbrochen die metaphysischen Denkformen verwenden. Wie wir unser Natur- und Geschichtsbild nicht nur dazu herstellen, damit wir zur Metaphysik und zur Theologie gelangen, sondern es | seiner selbst wegen pflegen, so muß auch die Metaphysik, die unser Weltbild trägt, für sich zum Gegenstand unsrer Arbeit werden. Die Beziehungen zur Theologie stellen sich sodann dadurch her, daß jede Verdeutlichung der Beobachtung und jede Verschärfung des Urteils, die uns die metaphysische Arbeit verschafft, die Richtigkeit und Sicherheit der theologischen Urteile steigert. In dem Maß, als sie wissenschaftliche Deutlichkeit und Sicherheit erlangt, erklärt sie uns die Vorgänge, die uns den Anteil an Gott verleihen, in derselben Weise, wie sie uns unsren Verkehr mit der Natur und unsren inwendigen Lebensakt erklärt.

Die Herkunft der Metaphysik aus dem Griechentum hat freilich zur Folge gehabt, daß die Metaphysiken, so verschieden sie geartet sind, überreichlich theologische Bestandteile enthalten, weil die antike Logik es ihnen schwer macht, bei der Wahrnehmung der uns gegebenen Formation zu verharren, und sie beständig zum Versuch anreizte, die Grundformen unsres Bewußtseins zu erklären. Sowie wir aber nach den Ursachen fragen, die unsrem Lebensakt die Gestalt geben, die er beständig hat, und uns nicht mehr damit begnügen, die uns formenden Kategorien wahrzunehmen und anzuerkennen, stehen wir vor der Gottesfrage, und jeder Versuch zu ihrer Erklärung I ergibt notwendig eine Theologie. Denn sowie der Metaphysiker „erklärt“, denkt er nicht mehr .nur dazu, um sich sein inwendiges Leben. das er vor sich sicht, und seine Welt, die er wahrnimmt, zu verdeutlichen, sondern jetzt erhebt er den Blick zum Wirker seiner Seele und seiner Welt und spricht damit von seinem “Gott“.

Es ist auch nicht bloß der Zauber der griechischen Überlieferungen, der an die uns bewegenden Kategorien einen starken Antrieb heftet, der uns der Theologie zukehrt, sondern die Kategorien, die uns das Selbst- und das Weltbewußtsein geben, zwingen uns selber, nach dem zu fragen, der sie uns verliehen hat, weil auch sie der Kategorie Wirkung unterworfen sind. Da aber die Beantwortung der Gottesfrage nicht einzig durch die Hervorhebung der metaphysischen Begriffe gewonnen werden kann. diene die Unterscheidung der metaphysischen von der theologischen Denkleistung der Klarheit und Richtigkeit unsres Denkens in derselben Weise, wie die untheologische Bearbeitung der Natur und Geschichte ihr förderlich ist (2). Der Sehakt, der die Tatbestände auffaßt, muß~ auch auf dieser Stufe zuerst für sich vollzogen werden, und erst dann kann und soll er uns als Mittel zur theologischen Erkenntnis dienen, die im Tatbestand auch seinen Wirker sieht.

Die Grenze, die die Metaphysik von der Theologie trennt, wird auch deshalb leicht überschritten, weil die Metaphysik, indem sie den Weltbestand erklärt, eine formelle Verwandtschaft mit der Theologie erhält. Denn I indem wir die Gedanken sammeln, die unser ganzes Erkennen regeln, wenden wir den Blick vom Gegebenen zu dem hinüber, worin es seinen Grund hat, und bemühen uns, das Werden zu fassen, das uns unser Weltbild und unser eigenes Bild bereitet. Dieser Denkakt hat mit demjenigen Ähnlichkeit, der uns und unsre Welt als Gottes Werk beschreibt. So lange aber die Regel Geltung hat, daß die Metaphysik das beobachtet, was sich an unsrem eigenen Lebensstand zeigt, und nicht jenseits unsres Bewußtseins, sondern in demselben die es bildenden Faktoren sucht, bleibt auch die Metaphysik noch Phänomenologie in demselben Sinn, wie es unsre ganze Natur- und Geschichtswissenschaft ist, während erst die Theologie den Bereich der Erscheinung überschreitet und ein von jeder Beschränkung befreites Urteil fällt.

Die kräftigen Beziehungen, die die Metaphysik und die Theologie verbinden, bewirken, daß metaphysische Fehlbildungen das theologische Urteit heftig stören. Zwar ist auch die Natur- und Geschichtswissenschaft vor  Störungen durch schlechte Metaphysik nicht geschützt; ihnen gibt aber die Festigkeit der Wahrnehmung, die uns die Natur und die persönlichen Erlebnisse gewähren, das Vermögen, den störenden Einwirkungen der Metaphysik einen zähen Widerstand entgegenzustellen. Das theologische Urteil wird | dagegen unmittelbar von der Weise beeinflußt, wie wir die Merkmale alles Seienden auffassen, und krümmt sich, wenn sich metaphysische Mißbildungen so in uns festsetzen, daß sie den Sehakt beherrschen. Dann wird der theologischen Anleitung zur Wahrnehmung des göttlichen Wirkens erwidert, was er als Wahrnehmung beschreibe, sei bloß eine Behauptung, die von den metaphysischen Überzeugungen abgewiesen werde. Deshalb kann die metaphysische Arbeit die theologische Erkenntnis als Propädeutik und Apologetik unterstützen, indem sie die Aussagen unsres Bewußtseins unverfälscht zur Geltung bringt und dadurch Vorstellungen, die uns an der Wahrnehmung des göttlichen Wirkens hinderten, entfernt.

Damit ist der Grund hervorgehoben, der den mittelalterlichen Aufbau der christlichen Erkenntnis trug, nach dem | die aristotelische Metaphysik als das Fundament für das Wort der Schrift und der Kirche benützt wurde. Die Störungen, die diese Ordnung des theologischen Denkens schädigten, ergaben sich daraus, daß eine bestimmte Gestalt der Metaphysik und die mit ihr verwobene Theologie als die einzig mögliche und unerschütterlich richtige der Aneignung des Wortes Jesu übergeordnet war.

Deshalb aber, weil sich in den Beziehungen der Metaphysik zur Theologie die Abwehr der Irrungen stark als das Motiv hervordrängte, das die Arbeit leitete, dürfen wir die Regel, daß nicht einzig der Irrtum uns den Denkakt unentbehrlich mache, auch bei der Metaphysik nicht brechen. Wir bedürfen freilich der Reinigung unsrer Gedanken auch im metaphysischen Gebiet, da die Befreiung von dunklen metaphysischen Traditionen oft eine Bedingung für die Erkenntnis Gottes ist. Wir überwinden aber den Wahn nur durch den Sehakt, und zu seinem unermüdlichen Vollzug | beruft uns nicht erst der Wahn, der unsren Blick verfinstert, sondern die Wirklichkeit, die uns dazu gezeigt ist, damit wir sie kennen. Nähert sich ein Theologe metaphysischen Aufgaben. so tue er es nicht zuerst des Kampfes willen nicht bloß zum Schutz. seiner christlichen Überzeugungen, sondern stelle auch jetzt die positiven Ziele der Erkenntnis über die Bediirfnisse, die durch Notstände entstehen, und gebe seinem Denken in der Wahrheitsregel das Gesetz, das es allein regiert.

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(1) Es war folgerichtig gedacht, daß die antike deduktive Syllogistik mit Kant zu dem Satz vorwärts ging, eine Metaphysik, die Wissenschaft sei, gebe es nicht. Dieses Urteil bleibt gültig, so lange das Sehen verachtet wird. Die Metaphysik ist nicht im modernen, sondern im griechischen Sinn des Worts „Theorie“, Wahrnehmung des Geschehenden.

(2) Ich sage absichtlich “untheologisch“, nicht “atheistisch“, weil der Satz., das wissenschaftliche Denken sei atheistisch. die Vorstellung erweckt, es sei der Beruf des wissenschaftlichen Denkens, das Gottesbewußtsein abzustoßen. Der Vollzug der Wahrnehmung, die den Blick jetzt auf das Selbst- und Weltbewußtsein beschränkt, hat aber an sich selbst mit dem Streit gegen den Gottesgedanken nichts gemein.

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